Die fünf Filter vor dem Business Angel Investment

6. August 2021 | BAND News

Wenn Business Angels sich für ein Investment in ein Start-up entscheiden, ist dies ein relativ aufwändiger Prozess, der durchaus dauern kann und oft drei Monate oder mehr in Anspruch nimmt. Das gilt im Prinzip auch bei der Finanzierung über ein Wandeldarlehen, obwohl die Abläufe dort beschleunigt sind.

Andererseits ist bei vielen
Business Angels die Zahl der Investmentmöglichkeiten, die zur Auswahl
vorliegen, sehr groß. Sind sie z.B. bei Business Angels Netzwerk
Deutschland (BAND), dem Bundesverband der Business Angels, akkreditiert,
flattern ihnen vierzehntägig um die dreißig One Pager von Start-ups auf
der Suche nach einem Investor ins Haus. Außerdem besuchen Angels meist
verschiedene Pitch Veranstaltungen, z.B. bei einem der 40 deutschen
Business Angels Netzwerke, sie erhalten Dossiers von Freunden oder
kommen über Businessplan-Wettbewerbe, Acceleratoren und Inkubatoren mit
Start-ups in Kontakt. Schnell können es in einem Jahr mehr als 1000
Investmentmöglichkeiten sein.

Spätestens jetzt ist jedem klar, es muss einen möglichst strukturierten Auswahlprozess geben, der sinnvollerweise mehrere zeitliche und inhaltliche Filter umfasst, bis am Schluss die erhofften Nuggets hängen bleiben.

Filter 1: Grobe Vorauswahl nach dem Investitionsfokus

Als
Erstes werden Investoren darauf achten, ob das Start-up ganz allgemein
in seinen Investitionsfokus fällt. Kriterien können bestimmte Branchen
oder Technologien sein, weil sich der Angel hier auskennt oder besonders
gute allgemeine Zukunftschancen sieht. Dann sollte die Größe des
geforderten Investments zu seinen finanziellen Möglichkeiten und seiner
Investitionsstrategie passen. Manche Angels investieren nur im
regionalen Umfeld, andere nur in Deutschland oder in der DACH Region
oder es handelt sich um Spezialisten für eine bestimmte Weltgegend, etwa
für Afrika. Obwohl die meisten Angels die Seed-Phase oder gar die
Pre-Seed Phase der Start-ups bevorzugen, steigen andere wiederum erst in
späteren Finanzierungsrunden ein.

Die Kriterien dieser Vorauswahl sind also sehr individuell, was einerseits bedeutet, dass auch sehr spezifisch ausgerichtete Start-ups eine Chance haben, andererseits aber die Suche nach einem Investor dadurch nicht erleichtert wird. So gibt es z.B. nur sehr wenige Business Angels Netzwerke, die eine Branchenorientierung haben. Erste Ansätze dafür sind vorhanden im Food & Beverage Sektor, bei Med & Health, bei Chemie und beim Klimaschutz.

Filter 2: Wachstumspotenzial bestimmt Exitchancen

Gründerteams,
die einen Business Angel als Investor suchen, sollten sich über die
Antwort auf eine Frage im Klaren sein: Was möchte der Investor, der mir
gegenübersitzt, mit dem Engagement in meinem Start-up erreichen? Nun,
neben dem Spaß an der Begleitung eines jungen Unternehmens möchte er
einen erfolgreichen Exit vollziehen, d.h. mit seinem Investment
irgendwann einmal auch Geld verdienen.

Deswegen achten Investoren -
das müssen sich Gründerinnen und Gründer immer vor Augen halten -  vor
allem darauf, dass das Geschäftsmodell funktionieren kann und
Wachstumspotential enthält. Nur dann kann man auf einen Exit hoffen und
als Investor Geld verdienen. Zu beantworten ist in diesem Zusammenhang,
ob es einen Kundennutzen gibt, wie groß der Markt ist, der erobert
werden kann, welche Widerstände anderer Marktteilnehmer zu erwarten sind
und ob Marketing und Vertrieb richtig auf die potenziellen Kunden
ausgerichtet sind.

Schwieriger noch sind die selteneren Fälle, in
denen das Produkt sich erst den Markt schaffen muss, weil es
Kundenbedürfnisse befriedigt, die bisher noch nicht „entdeckt“ wurden.
Man denke an das iPhone, Facebook oder Uber. Hier kommt es auch darauf
an, ob die Zeit für dieses Produkt reif ist.

Weiter sollte das
Geschäftsmodell skalierbar sein, also die Produktion sehr schnell
steigerungsfähig sein, weil infolgedessen das Unternehmen im Wert rasch
ansteigen kann, was die Exitchancen erhöht.

Investoren schauen
also in die Zukunft. Glaubt der Angel, dass sich das Start-up gut
entwickeln wird, sind die Voraussetzungen für eine Finanzierung gegeben.

Filter 3: Team, Team, Team – Vertrauen aufbauen

Befragt
man Business Angels, was das wichtigste Investitionskriterium ist, dann
hört man immer wieder: Team, Team, Team. Mit gutem Grund: denn ohne ein
gut aufgestelltes Team geht nichts. Gründer sollten also darauf achten,
dass die notwendigen Kompetenzen - technologische, organisatorische,
vertriebliche – überzeugend besetzt sind. Einzelkämpfer haben geringe
Chancen, auch die Konstellation, bei der der kompetentere Vater dem
Sohn, der als CEO, fungiert, das Sprungbrett bereiten will, funktioniert
oft nicht. Diversen Teams geht der Ruf voraus, kreativer und
erfolgreicher zu sein als homogenen. Gleichzeitig muss eine gute
Vertrauensbasis zwischen den Gründern vorhanden sein – denn wenn das
Gründerteam auseinanderbricht, bedeutet das oft auch das Ende des jungen
Unternehmens.

Darüber hinaus wird von den Gründern ein
charakterlicher Spagat erwartet: Einerseits sollen sie selbstbewusst,
selbständig, hartnäckig, unbeirrt und leidenschaftlich ihre
Geschäftsidee verfolgen, anderseits sollen sie nicht beratungsresistent
sein und so flexibel, dass sie Sackgassen erkennen, um aus ihnen wieder
herauszukommen. Mir sind viele Fälle bekannt, wo die erste Idee des
Geschäftsmodelles nicht wie erhofft geflogen ist, die Gründer aber
gemeinsam mit ihrem Business Angels umgesteuert, das Geschäftsmodell
variiert haben und damit Erfolg hatten.

Bleiben wir bei den
weichen Faktoren. Die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Business
Angels ist auf mehrere Jahre angelegt. Es wird mit Sicherheit Höhen und
Tiefen und auch echte Krisen in der Entwicklung des Unternehmens geben.
Das führt nur zu einem guten Ende, wenn eine solide Vertrauensbasis
zwischen beiden Seiten besteht. Von vornherein müssen die Gründer sich
daher ehrlich, offen und transparent verhalten. Das lässt dann hoffen,
dass sie auftretende Probleme nicht verschweigen werden, sondern nach
einer Problemanalyse zielgerecht eine Lösung suchen werden.

Filter 4: Das Fine Tuning – Technologie und Due diligence

Die
Frage nach der Technologie selbst, die die Gründer sehr häufig in den
Vordergrund stellen und worauf sie sich bei Pitches gerne hauptsächlich
konzentrieren, weil sie darauf stolz sind, war bisher für den Angel
nicht vorrangig. Erst jetzt, wenn er das Geschäftsmodell und seine
Skalierungsfähigkeit analysiert und das Team kennengelernt hat, wird er
sich auch mit der Technologie näher auseinandersetzen und sich davon
überzeugen, dass sie die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt bzw.
erfüllen kann. Die Technologie muss, soweit rechtlich möglich, geschützt
sein. Patente dürfen aber nicht beim Gründer oder einer Hochschule
liegen, sondern müssen ins Unternehmen eingebracht sein oder zumindest
dauerhaft vom Unternehmen genutzt werden können.

Damit sind wir
bei der Due Diligence, was so viel bedeutet, dass sich der Investor
ansieht, „ob im Unternehmen alles seine Ordnung hat“. Das bezieht sich
auf betriebs- und finanzwirtschaftliche Aspekte, auf den
Gesellschaftsvertrag, die Geschäftsführerverträge, das Personal im
Hinblick auf Expertise und Kosten, wesentliche Verträge mit Kunden und
Lieferanten sowie Risiken, z.B. durch Rechtsstreitigkeiten. So
nachvollziehbar es ist, dass Gründer weder Zeit noch Lust haben, sich um
formelle Dinge zu kümmern -  wer die Unterlagen alle geordnet parat
hat, punktet bei den Angels. „Vergessen“ hingegen die Gründer z.B. ein
Gesellschafterdarlehen zu erwähnen, das zurückgezahlt werden muss,
beendet das in der Regel die Gespräche mit dem Investor. Gerade in
dieser Phase ist absolute Offenheit und Transparenz das Gebot.

Filter 5: „Bewertung des Unternehmens“ heißt aufeinander zugehen

All
diese Aspekte gehen letztlich auch in die Bewertung des Unternehmens
durch den Business Angel ein. Eine wesentliche Rolle spielt der
Reifegrad des Unternehmens. Gibt es einen Prototyp, erste Kunden und
Kundenreferenzen, Produktionskapazitäten usw.? Letztlich sind es aber
die Zukunftsaussichten, die die Bewertung bestimmen. Deswegen sind alle
am Markt vorhandenen Tools allenfalls Hilfsmittel, ausschlaggebend sind
Erfahrung und Ahnung des Angels. Umgekehrt sollte aufseiten des
Start-ups auch in Betracht gezogen werden, inwieweit der Angel durch
sein Know-how und sein Netzwerk für das Start-up von Nutzen sein wird.
Oft schon war der „Know-how-Flügel“ des Angels für den Erfolg des
Start-ups wichtiger als der andere Flügel, das Kapital.

Bei beiderseitig gutem Willen und Vertrauen darf das Investment an der Bewertung nicht mehr scheitern.

Term Sheet – Wie wollen wir zusammenarbeiten?

Abschließend
ist es sinnvoll, die wesentlichen Aspekte der Zusammenarbeit, welche
auch im Beteiligungsvertrag und dem meist zu ändernden
Gesellschaftsvertrag (Satzung) eine Rolle spielen, schriftlich im Term
Sheet niederzulegen. Eine gute Hilfe ist das Muster Term Sheet des German Standards Setting Institutes (GESSI),
das kostenlos zweispaltig in Deutsch und Englisch zum Download
bereitsteht. Weil GESSI gemeinsam von BAND als dem Bundesverband der
Business Angels und ihres Ökosystems und dem Bundesverband Deutscher
Startups betrieben wird, können Gründer und Investoren auf die
Ausgewogenheit der Dokumente vertrauen. Ein Term Sheet ist rechtlich
betrachtet kein Vertrag und auch nicht rechtsverbindlich, aber nach den
Grundsätzen des ehrbaren Kaufmanns einzuhalten. Wer als Start-up oder
Investor Term-Sheets willkürlich nicht beachtet und die spätere
Beteiligung verweigert, wird Probleme mit seinem Ruf in der Community
haben.

Fazit

Der Prozess bis zum Eingehen der Beteiligung scheint aufwändig, aber er ist eine gute Grundlage für eine längere Zusammenarbeit. Es gibt zwar auch die Investoren mit dem schnellen Geld. Ob sich dieser Weg für die Start-ups am Ende auszahlt, ist aber zu bezweifeln, denn in solchen Fällen sind Enttäuschungen oft vorprogrammiert.

Erstveröffentlichung des Artikels auf startupcoach.de